Montag, 18. Juli 2011

Die letzten Fragen


Vier Tage nach der Frauenweltmeisterschaft haben wir uns mit Fußballexpertin Stefanie Metzler getroffen, um ihr über eine lobenswerte WM, Topstars im Frauenfußball und das Olympia-Aus zu sprechen. 
Mittelpunkt: Frau Metzler, welche Mannschaft haben Sie angefeuert?
Frau Metzler: Natürlich Deutschland.
Mittelpunkt: Warum?
Frau Metzler: Ich durfte selber mit einigen Mädels in Testspielen der deutschen Nationalmannschaft gemeinsam Fußball spielen. Dadurch habe ich Freundinnen dort und außerdem hatte ich ungefähr 1995 meine erste Begegnung mit Steffi Jones, genannt Steffi, auf einem Ascheplatz in Recklinghausen. Damals hat keiner daran gedacht, dass sie eines Tages eine WM planen und organisieren wird.
Wie haben sie die WM verfolgt?
Frau Metzler: Ich war selbstverständlich und darüber hinaus beim Viertelfinalspiel in Leverkusen (England: Frankreich) und natürlich beim Finale in Frankfurt.
Und die anderen Spiele?
Frau Metzler: Im Fernsehen, und am besten hat mir das Spiel USA: Brasilien gefallen. Das Spiel war technisch anspruchsvoll und zudem spannend. Man konnte sehen, dass alle auf dem Platz technisch sauber mit dem Ball umgehen konnten. Dieses Spiel war für mich das vorgezogene Finale und eine richtig gute Werbung für den Frauenfußball.
Was war das Beste an der WM im eigenen Land?
Frau Metzler: Erst einmal fand ich es sehr schön und erwähnenswert, dass es keine Gewalt und keine Krawalle gab. Die WM war ein Familienfest im Stadion. Die Stimmung war nicht vergleichbar mit der Stimmung, die wir aus der Bundesliga kennen. Trotzdem war es eine positive Stimmung, vor allem die Stimmung im Borussia-Park war beeindruckend. Sehr wichtig fand ich das allgemeine Interesse durch die Medien. Jeder wusste, dass die WM „vor der eigenen Haustüre“ stattfindet und hat sich darauf gereut.
Die Organisation rund um die WM wurde von allen gelobt. Wie stehen Sie dazu?
Frau Metzler: Das sehe ich ähnlich wie der Bundespräsident Christian Wulff, der nach dem Finale sagte: „Man könne eine WM nicht besser planen und durchführen“. Natürlich gab es auch kleinere Pannen, wie zum Beispiel in Mönchengladbach, als man bei dem Spiel Deutschland: Frankreich mit Verkehrsproblemen zu kämpfen hatte. Beim Finale in Frankfurt hingegen konnte man jedoch eine überaus gute Verkehrsregelung erleben, aus Fehlern wurde gelernt. Übertrieben streng, fand ich, war die FIFA. Obwohl die Sicherheitsvorkehrungen nachvollziehbar waren, aber darüber hinaus hat man sich gefragt, ob die FIFA nicht über das Ziel hinausschießt. Daumen hoch für alle freiwilligen Helfer, die sehr professionell gearbeitet haben!
Deutschland ist sehr früh schon ausgeschieden. Worin sehen Sie die Gründe?
Frau Metzler: Den deutschen Frauen fehlte die Konzentration im Spiel. Sie haben nicht konsequent genug gespielt. Vielleicht waren sie im Kopf schon weiter und waren deswegen mental nicht ganz dabei. Auch wenn Kim Kulig, genannt K.K. sich verletzt hat. Die Nationalmannschaft braucht sich nicht zu verstecken, denn die Klasse ist da. Alle 20 Spielerinnen können problemlos eingesetzt werden. Im Spiel gegen Nigeria hat man gespürt, dass diese Klasse da war und dass die Deutschen früher oder später ein Tor schießen würden, doch gegen Japan fehlte dieses Gefühl und die Frauen standen in der Defensive sehr wacklig. Ein Konter, wie der zum 0:1 gegen Japan, darf passieren, doch dann muss vorne auch konsequent zu Ende gespielt und das Tor erzielt werden.
Olympia-Aus für Deutschland. Was hat das zu bedeuten?
Frau Metzler: Ja gut. Für die Frauen ist die Bedeutung einer Olympiateilnahme höher als bei den Männern und es ist schlimm, wenn man an einem Sportereignis dieser Bedeutung nicht teilnehmen kann. Dennoch ist es unterm Strich nicht ganz so schlimm und ich fände es schlimmer, wenn man an einer WM oder EM nicht teilnehmen kann. Nur schade, dass jetzt eine längere Pause zwischen Sportgroßereignissen aussteht, denn das dämpft das Interesse und möglicherweise hätte Inka Grings noch ein Jahr dran gehängt.
Am Samstag wurde bekannt, dass insgesamt 5 Spielerinnen der Nordkoreanischen Nationalmannschaft gedopt haben. Was sagen Sie dazu?
Frau Metzler: Grundsätzlich hat Doping nichts im Sport zu suchen. Ich finde es gut, dass es aufgedeckt wurde. Die NADA (nationale Dopingagentur) überprüft alle Spielerinnen. Außerdem müssen alle Spielerinnen Berichte darüber abgeben, wo sie sich aufhalten. Nach dem Deutschland ausschied, war ich sprachlos und habe (aus Spaß) gehofft, dass am nächsten Tag in der Zeitung stünde, dass die Japanerinnen gedopt gewesen wären. Natürlich war das ein Witz, man muss auch verlieren können, auch wenn es bitter ist. Aber Japan hatte den Sieg verdient.
Brasiliens Topstar Marta wurde oft ausgepfiffen. Finden Sie das berechtigt? Warum?
Frau Metzler: Schwierige Frage. Man muss Marta in Schutz nehmen, weil sie am Ball die beste Spielerin ist. Sie hat eine gute Spielübersicht und spielt technisch auf höchstem Niveau. Leider hat sie jedoch ein recht ruppiges Auftreten. Das heißt Kartenfordern, übermäßiges Aufregen, übertriebene Gestik und Mimik. Bei der letzten WM war sie mit Cristiane der „Buhmann“. Ihr aggressives Auftreten hat sicherlich auch etwas mit ihrer Herkunft und ihrem persönlichen Werdegang zu tun. Die Pfiffe von den Rängen fand ich übertrieben, denn ihr Spiel ist sensationell.
Japan setzte sich im Finale überraschend durch. Finden Sie es verdient?
Frau Metzler: Tja. Schwierig. Alles in Allem: Ja. Mit Japan hat vor der WM niemand gerechnet. Sie haben es verdient mit der Art und Weise, wie sie gespielt haben und mit ihrem zurückhaltenden Auftreten. Positiv war, dass sie kämpften und trotz 2-maligen Rückstandes noch zurückgekommen sind. Beide Teams hätten es verdient Weltmeister zu werden. Ich freue mich für Japan, denn das Land hat schwere Zeiten hinter sich. Wenn die USA gewonnen hätte, hätten sie drei Weltmeistertitel und somit einen Stern mehr als die Deutschen. Aber wenn man vier Elfmeter verschießt und Japan gegen eine Hope Solo, die wirklich alles andere als eine schlechte Torhüterin ist, nicht schlecht ist, so sensationelle die Elfmeter verwandelt, geht es in Ordnung.
Inwiefern ist Frauenfußball jetzt populärer geworden?
Frau Metzler: Vor und während der WM wurde viel über Frauenfußball geredet, was mich gefreut hat. In den Stadien war die Stimmung gut und viele haben zugeschaut. Ich denke aber, dass nach der WM das Interesse sich langsam wieder verliert, da das Leistungsgefälle in der normalen Frauen Bundesliga einfach zu groß ist. Es fehlt die Basis einer breiten spielerischen Klasse. In der Bundesliga gibt es nur wenige (vielleicht drei) sehr gute Mannschaften; die anderen sind weniger leistungsstark. Deswegen gibt es sehr viele einseitige Spiele, mit hohen Ergebnissen. Wenn man im Frauenfußball aufgewachsen ist verstehe ich, dass man sich dafür interessiert. Für den neutralen Zuschauer wird das Interesse mit Sicherheit wieder abnehmen. Man darf sich da keiner Illusion hingeben. Ich gebe zu, dass ich mehr Spiele der Männerbundesliga sehe als Spiele der Frauenbundesliga.
Was erhoffen sie sich jetzt von den DFB-Frauen und der deutschen Frauenbundesliga?
Frau Metzler: Ich hoffe, dass die Mädels ein wenig von der Euphorie der WM in den Bundesliga-Alltag retten können. Wir werden in Zukunft eine gute Nationalmannschaft haben, da wir gute junge Spielerinnen haben, die modernen Fußball spielen. Ich denke, wir werden noch viele Früchte ernten.
Interview: Fabio Fusaro 

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